Die Nutzung des Gutes unter sozialistischem Banner

Als es in der Sowjetischen Besatzungszone im Herbst 1945 heißt "Junkerland in Bauernhand" blieb unser Gut mangels Landmasse, es waren nur ca. 28 Hektar verschont. Die Enteignungsgrenze lag bei 100 Hektar. Ein sogenanntes Volkseigenes Gut (VEG) wurde das Vorwerk Schomerberg nie. Vielleicht weil unsere Urgroßmutter reichlich Hypotheken zu Gunsten Ihrer Tochter im Grundbuch eingetragen hatte, vielleicht aber auch nur weil irgendein Funktionär nicht aufgepaßt hat. Enteignet wurde am 3. November 1948 lediglich eine Zugmaschine.

Am 30. Juni 1946 lief der erste Pachtvertrag aus dem Jahre 1934 aus und obwohl die damalige Frau des Pächters, alleinstehend mit vier Kindern, aus verständlicher Not an einer Verlängerung der Pachtdauer interessiert war, drang unsere Urgroßmutter gerichtlich auf eine Eigennutzung. Ab dem 20. August 1946 bewirtschaftete die damals 65-jährige Frau das Gut in Eigenregie. Sie stellte Landarbeiter und einen Wirtschaftler ein und Ihr oberstes Ziel war natürlich die Eigenversorgung mit Lebensmitteln

Im Schomergut wohnten im Dezember 1946 fünf Familien, weshalb es im Gut, das nur für zwei Familien ausgelegt war, reichlich Konflikte gab. Heute kaum vorstellbar, daß damals den Bewohnern nur ein Abort zur Verfügung stand.

Durch eine Dringlichkeitsbescheinung des Rates der Stadt Grimma (Bauamt) vom 17. Dezember 1946 war es möglich, 1800 Zementdachsteine für das Schomergut zu beziehen, die für notwendige Instandsetzungsmaßnahmen benötigt wurden. Es konnten bei regionalen Firmen zwei Kontingente, eins von 1000 und eins von 800 Zementdachsteinen abgeholt werden. Aus den Jahren 1947 und 48 liegen uns Protokolle vor, welche den Ablieferungssoll und die Ablieferungen des Schomergutes an den Stadtrat Grimma (Ernährungs- und Wirtschaftsstelle) dokumentieren. Das Abgabesoll wurde im Rahmen von Zwangsbewirtschaftungsvorgaben der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) festgelegt und konnte auch nur durch diese geändert werden. Die Nachkriegsbedingungen damals waren sehr hart.

Ab dem 07.09.1948 wurde das Gut wieder an private Landwirte verpachtet. Das erste Pachtverhältnis wurde nach vier Jahren durch Betriebsaufgabe beendet. Im Nachgang gab es Streitigkeiten bezüglich der Höhe des zurückzugebenden lebenden Inventars, die bis zu einem Gerichtsprozeß führten, den unsere Urgroßmutter jedoch verlor. Um den Hof wieder für Landpächter attraktiv zu machen kaufte unsere Urgroßmutter zwei Ochsen und beglich Verbindlichkeiten des Vorpächters bei der BHG Grimma (Bäuerliche Handelsgenossenschaft). Der zweite private Landpächter war zugleich der letzte. Das Pachtverhältnis endete mit der Übersiedlung der Pächterfamilie Ende der fünfziger Jahre nach Westdeutschland. Bereits bei Abschluß des letzten Pachtvertrages gab es Probleme mit der damaligen Genehmigungsbehörde, dem Rat des Landkreises Grimma - Land- und Forstwirtschaft, der seine Zustimmung untersagte.

In den fünfziger Jahren waren die sozialistischen Produktionsverhältnisse in der DDR am siegen und dieses hatte zur Folge, daß ab Mitte der fünfziger Jahre in der Landwirtschaft der genossenschaftliche Sektor mit seinen Großbetrieben dominierte. Mangels Alternativen schloß unsere Ur-Großmutter am 19.09.1957 einen auf achtzehn Jahre angelegten Pachtvertrag mit dem VEG Kloster Nimbschen ab. Dies hatte fatale Folgen für das Gut, insbesondere weil die vereinbarten Instandsetzungsmaßnahmen nie eingehalten wurden und die Regelungen bezüglich baulicher Veränderungen nicht vom Eigentümer bestimmt waren. Am 30. März 1958 starb unsere Urgroßmutter, die zeitlebens jeglichen Schriftverkehr als Generalbevollmächtigte ihres Sohnes führte und nie grundbuchmäßige Eigentümerin des Gutes war.

Die Verfügungsrechte gingen ab dieser Zeit an unsere Großmutter, Frau Margarete Fleutmann, über. Mit dem Pachtvertrag von 1957 gab es faktisch keine Einflußmöglichkeiten auf die Verwaltung des Gutes. Hinzu kam wahrscheinlich auch die zunehmende Angst, staatliche Entscheidungen in Frage zu stellen und dagegen vorzugehen. Wir wissen es nicht genau. Die Wiesen um das Schomergut wurden für die Haltung von Schafen genutzt, wie das beigefügte Bild zeigt. Der damalige Schäfer wohnte mit seiner Familie von 1960 bis 1971 im Wohngebäude des Gutes, welches damals noch eine zweite Familie beherbergte. Das Auszugshaus war nicht bewohnt, die unteren Räume dienten der Kükenhaltung. Da das VEG Kloster Nimbschen nur an der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, jedoch nicht an der Nutzung des mittlerweile stark sanierungsbedürftigen Gutes interessiert war, wurde der Pachtvertrag vorfristig zum 31. Dezember 1972 gekündigt.

In der Familie Fleutmann gab es einzelne Überlegungen das Gut zu veräußern oder das Gut dem Staat zu schenken. Auf eine Annonce aus dem Jahre 1972 wollte ein Interessent sogar seinen PKW Wartburg als Kaufpreis in Zahlung geben. Welch verkehrte Welt! Ein Ehepaar, das schon vier Jahre verheiratet war und bisher noch keine eigene Wohnung bekam, hatte ebenfalls Interesse.

Das Gut und das Umland wurde seit 1973 ohne vertragliche Vereinbarung mit den Eigentümern verwaltet. Der Rat der Stadt Grimma übernahm die Verwaltung des Gutes und der Rat des Kreises Grimma die der landwirtschaftlichen Flächen. Ein Wertgutachten vom 31.03.1975 schätzte das Gut wegen des hohen Investitionsstaus auf 0,00 Mark. Am 25.07.1983 übergab der Rat der Stadt Grimma die Verwaltung des Schomergutes an den VEB Gebäudewirtschaft Grimma. Damals wohnte nur noch eine Familie auf dem Gehöft. Am 17. Mai 1984 starb Frau Margarete Fleutmann und das Eigentum ging an unsere Mutter sowie unsere Tante über. Eine staatliche Aufforderung zum Verzicht auf das Gut vom Sommer 1989 liegt uns vor. Das Ende der DDR war auch das Ende der staatlichen Nutzung und Verwaltung des Schomergutes. Aufgrund einzelnen familiären Widerstandes ist das Gut in der DDR und bis zur Übernahme durch uns Familienbesitz geblieben.

Unter Mitwirkung der (VEB) Gebäudewirtschaft Grimma verließen die letzen Mieter aus DDR-Zeiten am 20. Juni 1992 das Gehöft. Bis zur Erlangung von Investitionssicherheit, die wir mit dem Kauf- und Überlassungsvertrag vom 20.Juni 2000 erhielten, mußten jedoch noch ganze acht Jahre vergehen.

Auch wenn viele Ihre individuellen Lebenserinnerungen über das gesellschaftliche System der damaligen Zeit stellen, sind für jeden der Eigentum hatte, diese Jahrzehnte eine Sammlung verlorener Verwirklichungschancen gewesen. Wenn man jedoch mit einem gewissen gesellschaftspolitischen Abstand auf alle Eigentümer, Pächter und Bewohner des Gutes zurückschaut, kommt man zu dem Schluß, reich geworden ist mit diesem Hof bisher wohl niemand, aber glückliche Lebensjahre und eine schöne Zeit hatten alle, die diese Gehöft nicht nur als Arbeit und finanzielle Belastung gesehen haben auf jeden Fall.